Sie sind das Gegenteil eines Hypes. Leise Innovationsführer, die Weltmärkte dominieren. Sie sind Hidden Champions. Made in Germany. Hidden Champions? Ohne Hermann Simon würden wir wahrscheinlich gar nicht von ihnen sprechen. Der Unternehmensberater, der von einem Bauernhof in der Eifel stammt und es zum Gastprofessor am MIT, in Stanford und in Harvard gebracht hat, gab einer ganzen Klasse von Unternehmen ihren Namen. Laut Simon erfüllt so ein Hidden Champion drei Kriterien: Er ist in seinem Bereich Weltmarktführer oder mindestens unter den TOP 3. Er macht maximal 5 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Und er ist relativ unbekannt. Wir wollen verstehen, wie aus deutschen Mittelständlern Weltmarktführer wurden. Und wie Deutschlands Hidden Champions digitalisieren werden. Dafür lassen wir uns in die Chefetagen in Damme, Heek und auch in Berlin durchstellen, um mit den Eigentümern und deren Chief Digital Officer zu sprechen. Dreizehn Interviews später haben wir ein Bild davon, was die Netzwirtschaft von den Hidden Champions lernen kann – und umgekehrt. Best Practices, von analog bis digital.
“Wenn Sie einen schlechten Prozess digitalisieren, haben Sie einen schlechten digitalen Prozess!”
Thorsten Dirks
Thorsten Dirks bringt es auf den Punkt. Digitalisierung allein bewirkt keine Wunder, die zugrunde liegenden Prozesse müsssen ebenfalls optimiert werden.
Made in Germany
Fast 1.500 solcher „Hidden Champions“ gibt es in Deutsch- land. Deutlich mehr als anderswo auf der Welt. Aber warum entstehen sie eigentlich gerade hier? Dafür gibt es laut Hermann Simon gleich mehrere Gründe. Sie alle beruhen, passend zum deutschen Mittelstand, auf dem gesunden Menschenverstand:
Frühe Globalisierung. Die Klein- und Vielstaaterei in der neuzeitlichen Geschichte Deutschlands zwang Unternehmen zum Handel jenseits der eigenen Landesgrenzen. So lernten sie früh, wie Export geht.
Spezifische Kompetenzfelder. Deutschland besetzte traditio- nell Kompetenzfelder, die „regional vererbt“ wurden und noch heute in unterschiedlichen Branchen weiterleben. Beispiel Feinmechanik, die sich sowohl in der Uhren- als auch in der Medizintechnik im Schwarzwald wiederfindet.
Scharfer Wettbewerb. Schließlich nennt Simon den hohen Wettbewerbsdruck in Deutschland als Grund für die Häufung von Hidden Champions hierzulande. Konkurrenz belebt das Geschäft? Ein Drittel der Unternehmen findet seinen schärfsten Konkurrenten gleich um die Ecke.
Die Rahmenbedingungen formten Hidden Champions. Und die prägten ihrerseits „Made in Germany“ maßgeblich mit. Aus einem Herkunftszeichen, das die Engländer Ende des neunzehnten Jahrhunderts eigentlich dafür eingeführt hatten, um minderwertige Ware aus Deutschland zu kennzeichnen, wurde ein weltweites Qualitätsmerkmal. Auch Dank der Hidden Champions.
Dieser Fachbeitrag ist im Verlag für Netzwirtschaft erschienen und kann unter dem folgenden Link kostenlos heruntergeladen und gelesen werden: Beitrag als pdf downloaden
Vom analogen Erfolg zur digitalen Transformation
Der Begriff „Hidden Champion“ ist eng verbunden mit dem deutschen Mittelstand. Diese Unternehmen sind oft nicht die größten, aber sie zeichnen sich durch eine Kombination aus hoher Innovationskraft und einer extrem starken Marktstellung in ihrem spezifischen Bereich aus. Sie sind in der Regel in einer Nische tätig und haben sich über Jahre hinweg einen globalen Wettbewerbsvorteil erarbeitet. Die Fähigkeit, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, ist das Herzstück ihres Erfolges. Diese Fähigkeit spielt auch bei der digitalen Transformation eine entscheidende Rolle.
Doch was bedeutet es für einen Hidden Champion, die digitale Transformation zu meistern? Für viele dieser Unternehmen ist der Übergang von analogen Geschäftsmodellen zu digitalen Prozessen und Produkten eine große Herausforderung – und gleichzeitig eine enorme Chance. Die Digitalisierung bietet nicht nur Potenzial für mehr Effizienz und Kostenreduktion, sondern auch für innovative Geschäftsmodelle und neue Produkte, die bisher undenkbar waren.
Hidden Champions sind nicht nur Weltmarktführer, sondern auch Meister der digitalen Transformation. Sie verbinden Tradition mit Innovation und prägen ihre Branchen durch digitale Lösungen.
„Digitalisierung ist keine Option mehr, es ist eine Notwendigkeit.“
Jean-Philippe Courtois
Executive Vice President und Präsident für Global Sales, Marketing und Operations bei Microsoft.
Dieses Zitat unterstreicht die Bedeutung der digitalen Transformation für Unternehmen aller Größen, einschließlich des Mittelstands. Es betont, dass die Integration digitaler Technologien nicht länger eine Wahl, sondern eine unerlässliche Voraussetzung für zukünftigen Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit ist.
Der digitale Wandel bei Hidden Champions
Beispiel 1: Festo – Automatisierungstechnik aus dem Mittelstand
Festo ist ein Paradebeispiel für einen Hidden Champion, der erfolgreich den digitalen Wandel vollzogen hat. Als Anbieter von Automatisierungstechnik für die Industrie hat Festo es geschafft, den Sprung in die digitale Welt zu meistern und gleichzeitig das bewährte Geschäftsmodell zu bewahren. Besonders bemerkenswert ist das Unternehmen in der Entwicklung von smarten, vernetzten Produkten, die den Produktionsprozess in den Industrien ihrer Kunden optimieren. Die „Industrie 4.0“ war für Festo nicht nur ein Trendbegriff, sondern eine treibende Kraft, die die Innovationsstrategie des Unternehmens maßgeblich prägte.
Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung der sogenannten „digitalen Fabrik“. Festo hat es geschafft, seine eigene Fertigungslinie mit einer intelligenten Steuerung und vernetzten Maschinen auszustatten, die in Echtzeit miteinander kommunizieren und selbstständig Anpassungen vornehmen können. Dieser Schritt in Richtung Digitalisierung hat es dem Unternehmen ermöglicht, nicht nur die Effizienz zu steigern, sondern auch die Qualität der Produkte zu sichern und die Produktion flexibler zu gestalten.
Beispiel 2: Trumpf – Hightech für die Maschinenbauindustrie
Ein weiteres Beispiel für einen Hidden Champion, der erfolgreich digitalisiert hat, ist Trumpf. Das Unternehmen ist führend in der Lasertechnologie und bietet hochpräzise Maschinen und Systeme für den Maschinenbau an. Trumpf hat erkannt, dass die Digitalisierung nicht nur in der Produktion, sondern auch in der gesamten Wertschöpfungskette eine Rolle spielt. Das Unternehmen investierte frühzeitig in die Entwicklung von Softwarelösungen, die den Kunden helfen, ihre Maschinen effizienter zu steuern und zu überwachen.
Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung des sogenannten „TruConnect“-Systems. Durch diese digitale Plattform können Kunden ihre Maschinen in Echtzeit überwachen, Fehlerquellen identifizieren und die Wartungskosten senken. Trumpf ist es gelungen, seine Produkte und Dienstleistungen mit digitalen Lösungen zu verbinden und so einen Mehrwert für seine Kunden zu schaffen. Diese Integration von Hardware und Software ist ein Paradebeispiel dafür, wie Hidden Champions den digitalen Wandel als Wettbewerbsvorteil nutzen können.
Festo nutzt Industrie 4.0-Technologien, um Produktion und Qualität zu optimieren und setzt auf vernetzte Produkte für smarte, effiziente Fertigungslösungen.
Trumpf hat seine Maschinen mit digitalen Plattformen verknüpft, um eine intelligentere, flexiblere Fertigung zu ermöglichen. Der digitale Wandel sorgt für bessere Kundenbetreuung und optimierte Produktionsprozesse.
Herausforderungen der digitalen Transformation
Trotz ihrer Innovationskraft und ihres Unternehmergeists stehen viele Hidden Champions vor ähnlichen Herausforderungen, wenn es darum geht, die Digitalisierung zu integrieren. Diese Herausforderungen sind besonders dann spürbar, wenn das Unternehmen traditionsreiche, analoge Geschäftsprozesse pflegt, die sich über Jahrzehnten bewährt haben. Die Frage, wie digitale Technologien in bestehende Strukturen integriert werden können, ohne die gewachsenen Werte und die Unternehmenskultur zu gefährden, ist zentral.
Für viele Unternehmen ist es deshalb entscheidend, den digitalen Wandel nicht nur als technische, sondern auch als kulturelle Transformation zu begreifen. Die Digitalisierung erfordert ein Umdenken und eine neue Herangehensweise an Innovationen, Führung und Zusammenarbeit. Es geht nicht nur darum, Prozesse zu automatisieren oder Softwarelösungen zu implementieren – vielmehr müssen Unternehmen ihre gesamte Wertschöpfungskette überdenken und gegebenenfalls neu ausrichten.
Beispiel 3: Kärcher – Innovation in der Reinigungstechnik
Kärcher, der weltbekannte Hersteller von Reinigungsgeräten, ist ein weiteres Beispiel für die digitale Transformation im Mittelstand. Kärcher hat frühzeitig den Weg in die digitale Welt eingeschlagen und innovative Produkte entwickelt, die mit IoT (Internet of Things) ausgestattet sind. Ein Beispiel ist der „Kärcher Fleet Manager“, eine Lösung, die es den Kunden ermöglicht, ihre Reinigungsmaschinen über eine mobile App zu steuern, zu überwachen und Wartungsprozesse zu optimieren.
Für Kärcher war der Schritt in die digitale Welt ein langfristiger Prozess. Das Unternehmen musste nicht nur neue Produkte entwickeln, sondern auch neue Geschäftsmodelle und Partnerschaften aufbauen, um die digitalen Lösungen erfolgreich zu integrieren. Es wurde ein Netzwerk von Partnern aufgebaut, das Kärcher dabei unterstützt hat, den digitalen Wandel in der Produktentwicklung und Kundenbetreuung voranzutreiben.
Kärcher setzt auf Internet of Things (IoT) in seinen Reinigungsgeräten, um Kunden den Zugriff auf smarte, digitale Steuerungs- und Wartungsfunktionen zu ermöglichen und so Effizienz und Flexibilität zu steigern.
Best Practices für die digitale Transformation von Hidden Champions
1. Fokus auf Kundenbedürfnisse
Hidden Champions haben eines gemeinsam: Sie verstehen es, ihre Zielgruppen genau zu analysieren und deren Bedürfnisse zu antizipieren. Dieser Kundenfokus ist auch im digitalen Zeitalter von größter Bedeutung. Wer digitale Lösungen erfolgreich einführen möchte, muss immer den Mehrwert für den Kunden im Blick haben. In vielen Fällen bedeutet dies, die Digitalisierung nicht nur als technisches Upgrade zu sehen, sondern als eine Möglichkeit, den Kunden besser zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.
2. Innovationskultur etablieren
Eine weitere wichtige Voraussetzung für den Erfolg der digitalen Transformation ist die Schaffung einer Innovationskultur im Unternehmen. Hidden Champions müssen sich der Herausforderung stellen, ihre Mitarbeiter für neue Technologien zu begeistern und eine Umgebung zu schaffen, in der Innovation gefördert wird. Das bedeutet, in Fort- und Weiterbildung zu investieren, aber auch eine offene Haltung gegenüber neuen Ideen zu entwickeln.
3. Langfristige Perspektive einnehmen
Die Digitalisierung ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine langfristige Entwicklung. Hidden Champions müssen sicherstellen, dass sie auch in Zukunft innovativ bleiben und nicht nur mit den neuesten Technologien Schritt halten, sondern diese auch aktiv vorantreiben. Das erfordert eine langfristige Strategie, die sowohl die Entwicklung neuer Produkte als auch die Transformation der internen Prozesse umfasst.
Die digitale Transformation erfordert mehr als technologische Innovation – sie verlangt nach einem kulturellen Wandel im Unternehmen und einer neuen Herangehensweise an Zusammenarbeit und Führung.
Die digitalen Pioniere unter den Hidden Champions haben es geschafft, aus der Kombination aus Tradition und Innovation herauszuwachsen und sich in der digitalen Welt neu zu erfinden. Diese Unternehmen sind ein Beweis dafür, dass der Mittelstand auch in Zeiten des digitalen Wandels eine entscheidende Rolle spielen kann – wenn er sich der Herausforderung stellt und die Möglichkeiten der Digitalisierung für sich nutzt. Ihre Erfolgsstorys sind nicht nur Inspiration für andere Mittelständler, sondern auch ein Schlüssel, um das Potenzial der digitalen Transformation voll auszuschöpfen.
Die digitalen Erfolgsgeschichten der Hidden Champions basieren auf einem klaren Fokus auf Kundenbedürfnisse, einer Innovationskultur und einer langfristigen Perspektive auf die digitale Transformation.